Auswirkungen der Leistungssteigerungen der B2 und der B23
„Leistungssteigerung“ klingt zunächst einmal positiv, kann aber, wenn sie zu weit getrieben wird, auch zu Kollaps und Zusammenbruch führen. Darauf haben wir die politischen Vertreter der Gemeinden im Oberland in einem offenen Brief hingewiesen:
Sehr geehrter Herr Landrat Anton Speer, sehr geehrte Kreisräte, sehr geehrte Wahlkreiskandidatinnen und Kandidaten, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrte Redakteurinnen und Redakteure, sehr geehrte Damen und Herren,
die kompletten Leistungssteigerungen der B2 und der B23 führen voraussichtlich zu einer massiven Verkehrskatastrophe im Kankerbachtal, im oberen Isartal und im Loisachtal, die bis in die anliegenden Regionen reichen wird (siehe „20210525_Brenner2.0“), einschließlich der dadurch entstehenden Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes, des Erholungswertes und des Naturraumes durch Überbeanspruchung.
Eine so genannte „Entlastung“ einzelner Orte wird sich nur auf kurze Zeit einstellen und ist kein primäres Ziel der Verkehrswegeplanung.
Die Leistungsfähigkeit der B2 von etwa 19500 Kfz/tägl. zwischen Eschenlohe und Oberau wird auf das Vierfache erhöht (vierspurig und ohne Ampeln Oberau), die der B23 auf das Dreifache, bei derzeit gut 7000 Kfz/tägl. zwischen Ettal und Oberau. Zum Vergleich: die zweispurige B2 nördlich von Weilheim i.OB bewältigt ca. 21000 Kfz/tägl., die vierspurige B17 bei Augsburg über 76000 Kfz/tägl.. Die A8 und Augsburg sind dann über die B17 und B23 bequem per Kfz an das Loisachtal angebunden. Die Ertüchtigung der B2 im Norden Weilheims, die Umfahrungen von Weilheim i.OB und Murnau sorgen für weiteren Verkehr.
Die max. Leistungsfähigkeit bei 80 km/h mit zwei Fahrspuren in eine Richtung und Einhaltung eines Abstandes von einem „halben Tacho“ ist etwa 3500 Kfz/h. Da bei hohem Verkehrsaufkommen der Abstand zumeist geringer ist und etwa zwei Drittel des „halben Tachos“ beträgt, liegt der Kfz-Durchsatz sogar bei über 5000 Kfz/h – dass wäre eine Verfünffachung gegenüber bisher. Verzögerungen durch Abbiege-/Einschleifverkehr in Kaltenbrunn/Grainau würden sich in 25 Minuten an den Nordportalen der beiden Garmisch-Partenkirchner Tunnel bemerkbar machen, der verminderte Kfz-Abfluss über den Zirler Berg und Fernpass nach 2 1/2 Stunden, in Eschenlohe/Ettal etwa 45 Minuten später. Ein massiver Umfahrungsverkehr über die Ortsdurchfahrten und Nebenstraßen ist vorprogrammiert, der sich auch auf die nördlich gelegenen Regionen auswirken wird.
Durch den Straßenbau wird der motorisierte Individualverkehr (MIV) gefördert, was zu weiterem Reifenabrieb (ca. 30% des Microplastiks in den Meeren ist Reifenabrieb), Lärm und zumindest in nächster Zeit zu mehr CO2-Ausstoß führen wird. Zudem führt der Straßenbau oft zu Durchschneidungen von landwirtschaftlichen Flächen, von bisher wenig oder kaum belasteten Bereichen und ggf. zu Totalverlusten von naturnahen Flächen (Zerstückelung).
Aufgrund der annähernd 100%’igen Kfz-Verfügbarkeit und durch die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Straßen, ist eine Verkehrsverlagerung durch diese Reihe von Einzelbaumaßnahmen vom ÖPNV auf den MIV vorherzusehen.
Allein für die Abschnitte Starnberg bis Grainau/Kaltenbrunn sind in Summe mindesten 1,1 Milliarden Euro veranschlagt. Eine Kostensteigerung nur für das Projekt Auerbergtunnel von ca. 110 Millionen Euro auf 170 Millionen Euro scheint kein großes Problem darzustellen.
Dagegen, wenn es um den teilweisen 2-gleisigen Ausbau der Werdenfelsbahn zwischen Tutzing und Murnau geht, sind 214 Millionen Euro zu viel, zu teuer und zu kompliziert (Aussage der Bayerischen Eisenbahngesellschaft zur Petition von „Pro Bahn“ Weilheim i.OB, 12.2019). Ebenso hat das Geld für die längere Überdachung oder einen besseren Wetterschutz weiterer Bahnsteige in Weilheim i.OB und anderen Bahnhöfen nicht gereicht.
Die wohnungsnahen Erholungsgebiete werden mittels Straßenbau und Ortsumfahrungen eliminiert, was weiteren Straßenverkehr mit sich bringt. Auf die dann, u.a. durch den Straßenbau dezimierten, unverlärmten Naturlandschaften konzentrieren sich die Erholungs- und Ausgleichsuchenden Menschen, was zu einer Überbeanspruchung und zu zusätzlichen Schädigungen führt.
Ein Teufelskreis, dem ein Ende bereitet werden muss.
Um der Umwelt, dem Klima, dem Lebensraum der Menschen, Tiere, Pflanzen und der Gesundheit aller, entsprechendes Gewicht zuzugestehen, sind die Priorisierungen und Prüfungen zu den Verkehrswegeplänen (z.B. BVWP 2030, Methodenhandbuch) entsprechend zu ändern und der Staats- und Fernstraßenaus- und -neubau umgehend zu stoppen.
Mit freundlichen Grüßen,
Karin Knöthig, Weilheim i. OB, BI Heimat 2030
Stefan Schwaller, Weilheim i. OB, BI Heimat 2030
Liste der Adressaten:
- An das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen
- An die Bürgermeister und Gemeinden Mittenwald, Krün, Wallgau, Grainau, Garmisch-Partenkirchen, Farchant, Oberau, Eschenlohe, Ohlstadt, Schwaigen, Oberammergau, Unterammergau, Saulgrub, Bad Kohlgrub, Murnau und die Vertreter der politischen Parteien in diesen Orten
- An den Bund Naturschutz (BN) Bayern, den Landesbund für Vogelschutz (LBV) Bayern, den Fahrgastverband Pro Bahn und den Deutschen Alpenverein (DAV)
- An die Direkt-Kandidaten der Parteien für die Bundestagswahl 2021
- An die zuständigen Medien